Grammatik des Schweizerdeutschen
Einheit zur Sprach- und Grammatikreflexion für eine 10. Klasse.
Einstieg
»Achtung, Mundart macht dumm!« (Online-Version mit Sprechcoaching 💰 )
Vertiefung:
Podcast »Angesprochen« der Uni Zürich zur Sprachbewusstseinsgeschichte des Schweizerdeutschen
Aufgabe: Machen Sie sich dazu übersichtliche Notizen (ca. eine Seite/ein Display groß).
Fragen dazu:
- Wie entsteht Nationalbewusstsein bei einer Gruppe Menschen?
- Was meinen Menschen, die sagen, sie würden gern schriftlich Dialekt verwenden, weil es da keine Grammatik/Orthografie gebe?
Gibt es eine Grammatik des Schweizerdeutschen?
Auf der Website des Idiotikons (Wörterbuch des Schweizerdeutschen) findet sich folgende Antwort auf die Frage:
Der Begriff »Grammatik« hat verschiedene Bedeutungen und wird demnach auch ganz unterschiedlich verwendet. Eine natürliche Sprache funktioniert nach gewissen Regeln, die ein Sprecher kennt und anwendet, um korrekte Wörter und Sätze zu bilden oder um Urteile über die Korrektheit von Äusserungen zu fällen. Solche Regeln bezeichnen zusammengefasst die Grammatik einer Sprache. In diesem Sinn hat das Schweizerdeutsche eine Grammatik; der Schweizerdeutsch-Sprecher kann beurteilen, dass der Satz I ha Fääler mache falsch ist, denn in der Vergangenheitsform muss das Partizip gmacht stehen und nicht der Infinitiv mache. Diese Regeln werden teilweise in Lehrwerke aufgeschrieben und nach diesen wird unterrichtet. Auch ein solches Lehrwerk bezeichnet man als Grammatik. Zu einzelnen schweizerdeutschen Dialekten existiert eine solche Grammatik, so zum Zürichdeutschen, Luzerndeutschen, Baseldeutsch und Berndeutschen. Diese Grammatiken verstehen sich einerseits als deskriptive Darstellungen, das heisst, sie wollen die Mundarten beschreiben, andererseits machen sie auch einen normativen Anspruch geltend, sie wollen also auch zu einem korrekten Gebrauch anleiten.
Hat das Schweizerdeutsche eine Grammatik?, idiotikon.ch
Aufgaben:
- Welche Bedeutungen von Grammatik können Sie unterscheiden?
- Suchen Sie einen eigenen Satz, bei dem sich deutlich zeigen lässt, dass es eine schweizerdeutsche Grammatik gibt. Das Grammatik-Problem soll nicht beim Verb liegen.
Dialekt und Orthographie
Auch für Dialekt gibt es orthographische Regeln.
Es gibt sogar mehr als eine. Grundsätzlich kann man zwei Tendenzen unterscheiden:
- Eine Orientierung an der Standardsprache (z.B. »viel« statt »viil«). Diese Richtung wird von Werner Marti vertreten, das Standardwerk ist seine Bärndütschi Schrybwys (1972).
- Eine Orientierung an der Aussprache. Diese Richtung wurde von Eugen Dieth vertreten, sein Standardwerk ist die Schwyzertütschi Dialäktschrift von 1938.
Dieths Regeln sehen dann wie folgt aus:
Schreibaufgabe
Schreiben Sie »Wie hat Ihnen Schweizerdeutsch bisher gefallen?« im Stil von John Green. Den Input dazu finden Sie hier.
Kriterien:
- Beschreiben Sie persönliche Erfahrungen anschaulich und humorvoll?
- Bringen Sie Hintergrundwissen zum Thema in den Text ein, das Leser*innen wahrscheinlich nicht schon bekannt ist?
- Verwenden Sie auch unerwartete und originelle Perspektiven?
- Schaffen Sie es, dem Thema eine tiefergehende Bedeutung abzugewinnen?
- Ist die Bewertung vorhanden und nachvollziehbar?
Einführung in die wissenschaftliche Perspektive auf Grammatik
Präsentation: https://www.dropbox.com/s/7au6lxqf8re7vkr/Grammatik%20%E2%80%93%C2%A0Einfuehrung%20A2a.pdf?dl=0
Forschungsthemen (Ideen von diesem Thread):
(1) Artikel bei Namen
Adam hat Melanie heute auf dem Tessinerplatz gesehen.
De Adam het d Melanie hüt uf em Tessinerplatz gseh.
a) Welche Regeln gelten hier?
b) Braucht es im Schweizerdeutschen (Zürichdeutschen) bei jedem Namen einen Artikel?
c) Beschreiben Sie die Regeln, machen Sie auch eigene Beispiele.
(2) Grammatische Zeiten
a) Hochdeutsch gibt es sechs grammatische Zeiten – wie viele gibt es auf Schweizerdeutsch?
b) Wie drückt man im Schweizerdeutschen Ereignisse aus, die in der Zukunft liegen?
c) Kann jemand gutes Hochdeutsch sprechen, wenn die Person nur drei grammatische Zeiten beherrscht? Welche wären das?
d) Bonus: Weshalb »grammatische Zeit« und nicht »Zeit«? Wie lautet der lateinische Fachbegriff dafür.
(3) Zahlwörter
a) En Maa / e Frau / es Chind, zwe Manne / zwo Fraue / zwoi Chind.
Was passiert hier mit den Zahlwörtern?
b) Sind das Pronomen oder Adjektive? Warum?
c) »z dritte höch« – was bedeutet das genau?
(4) huere
[I] Ich han huere viel für die Prüefig glernt.
[II] Huere han ich für die Prüefig glernt.
a) Was ist »huere« für eine Wortart?
b) Beschreiben Sie den Unterschied zwischen [I] und [II] mit grammatischen Begriffen.
c) Geht dasselbe auch mit ähnlichen Wörtern? (»Ich han fett viel für die Prüefig glernt.«)
d) Bonus: Was ist der Ursprung des Wortes »huere«? #teamungeheuer vs. #teamprostituierte
(5) Plural von Nomen
[I] Mini Haar / mini Haare
[II] Manne / Männer
[III] Fraue / Frauäne
[IV] Blueme / Bluemene
[V] Auto / Autos
[VI] Büsi / Büsis
a) Welches sind die jeweils richtigen Pluralformen?
b) Stimmt die These, dass im Dialekt zunehmend Formen aus dem Hochdeutschen übernommen werden?
c) Blättern Sie in einem Wörterbuch (auch online möglich) und lesen Sie sich Singularformen von Nomen auf Hochdeutsch vor. Diskutieren Sie, ob Sie in Bezug auf die Pluralformen im Dialekt einig sind.
(6) »go«
[I] Ich gang go ichaufe.
[II] Ich chume go luege.
[III] Ich wott go schlafe gah.
[IV] Ich ga go schlafe.
a) Wozu braucht es das Wort »go« in diesen Sätzen?
b) Können Sie weitere Sätze bilden, die sich von diesen vier Beispielen unterscheiden? Wie?
c) Bonus: Was sagt die Forschung dazu? Hier können Sie eine Doktorarbeit zum Thema einsehen.